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1945-1990 - Landwirtschaft

Im Februar 1952 beschloss die 2. Parteikonferenz der SED die Bildung der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG).

Bisher wirtschafteten die Bauern selbständig. Ihnen wurde jedoch schon von staatlicher Seite ein Ablieferungs-Soll vorgegeben. Die Preise hierfür waren ebenfalls vom Staat vorgegeben. Die Landwirte, mit einem Grundbesitz bis zu 20 ha hatten ein niedrigeres Ablieferungssoll. Sie waren bei guter Ernte in der Lage sogenannte ,,freie Spitzen" zu verkaufen, wofür sie einen höheren Preis erzielten. Es war ihnen dadurch möglich, sich mit ausreichendem Saatgut und Düngemitteln zu versorgen. Auch an die Instandhaltung und. Modernisierung der Wirtschaft musste gedacht werden.

Anders war es bei den Bauern, deren Grundbesitz 20 ha überstieg. Sie wurden mit einem Liefer- Soll belegt, welches sie in den seltensten Fällen erreichen konnten. Die finanziellen Erlöse die sie erzielten, ließen den Kauf von ausreichend Saatgut und Düngemitteln nicht zu. Die Erträge der sogenannten Großbauern gingen deshalb von Jahr zu Jahr zurück. Durch diesen staatlichen Druck und anderen Repressalien sollten diese Bauern für die kollektive Wirtschaft gefügig gemacht werden. Einige Großbauern hielten diesen Druck nicht aus und verließen Haus und Hof über die damals noch offenen Grenzen Richtung Bundesrepublik Deutschland. In Zschepen wurde das Rittergut und in Selben das verlassene Gehöft des Bauern Stier im Jahre 1953 zur Basis der LPG Typ I (Typ I = gemeinsame Feldbewirtschaftung bei individueller Tierhaltung), der zunächst die Neubauern beitraten.

Im Laufe der Jahre erhöhte sich der Druck auf die noch individuell wirtschaftenden Bauern, die sich schon einen bescheidenen Wohlstand erarbeitet hatten, sich einer meist noch unrentabel arbeitenden LPG anzuschließen. Die LPG wurden bevorzugt bei der Maschinenausleihe und erhielten auch durch den Staat und die Industriebetriebe große Unterstützung. „Industriearbeiter aufs Land" war ein Werbefeldzug dieser Zeit. Um den akuten Arbeitskräftemangel der Landwirtschaft zu beheben, wurden hohen Prämien gezahlt, wenn ein Industriearbeiter sich entschloss, künftig bei einer LPG zu arbeiten.

Schließlich entschlossen sich alle Bauern zum Beitritt zur LPG. Im Januar 1960 wurde in Zschepen die LPG „Goldene Ähre" und in Selben die LPG Zeitenwende" gegründet. Im Januar 1968 war die Zwangskollektivierung der Landwirtschaft auch in Selben abgeschlossen. Alle Bauern gehörten der LPG des Typs III(gemeinsame Feld- und Viehwirtschaft) an.

Mit der Gründung der LPG und der beginnenden Großfeldwirtschaft kamen Großmaschinen zum Einsatz. Sie sicherten gewaltige Ertragssteigerungen und eine hohe Arbeitsproduktivität. Diese Technik konnten die LPG in den zeitgleich aus den MAS gebildeten MTS (Maschinen-Traktoren-Station) ausleihen. Das Kreisgebiet wurde in MTS-Bereiche aufgeteilt. Selben gehörte zum MTS-Bereich Döbemitz. Später wurden aus den MTS die Kreisbetriebe für Landtechnik (KfL) mit noch größerem Einzugsbereich

Im Statistischen Taschenbuch des Kreises Delitzsch von 1958 steht: Selben mit dem Ortsteil Zschepen, MTS-Bereich Döbernitz, ca. 3 km südlich der Kreisstadt, MTS-Stützpunkt (Werkstatt für Kleinreparaturen in Zschepen).

1096 Einwohner, davon 489 männlich und 607 weiblich / 625 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche

1 LPG, 335 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche, 66 Mitglieder

5 Handwerksbetriebe einschl. Bäcker und Fleischer, 7 Verkaufsstellen davon 2 Konsum u. 2 Gasstätten,

1 Kindergarten

1 Schule

1 Unfallmeldestelle.

Später erfolgte der Zusammenschluss der LPG Selben mit der LPG Döbernitz und Beerendorf zur LPG Beerendorf. Diesem Zusammenschluss folgte die Bildung der Groß-LPGen mit spezialisierten Aufgabenbereichen. Für unsere Gemeinden waren die LPG-Pflanzenproduktion (LPG-P) Schenkenberg und die LPG Tierproduktion (LPG-T) Beerendorf zuständig. Ihre Aufgabenbereiche waren getrennt. In den beiden LPG waren zeitweilig bis zu 100 Einwohner der Gemeinde beschäftigt.

In einer Halle in Selben lagerte die LPG(P) Schenkenberg Zwiebeln, die hier getrocknet, sortiert und abgepackt wurden. Die Zwiebeln wurden landesweit verkauft und auch exportiert. In der Zwiebelhalle" arbeiteten vorwiegend Frauen als Saisonkräfte.

In den Rinderoffenställen der LPG(T) waren 300 Kühe eingestellt. Der Bestand an Schweinen betrug in Selben und Zschepen über 1000 Tiere.

Wertvolle Unterstützung leisteten die LPG bei Arbeiten und Bauvorhaben in der Gemeinde durch Bereitstellung von Fahrzeugen und Technik. Bei Dorffesten und Sportveranstaltungen gaben die LPG materielle und finanzielle Hilfe.

1990 muss die LPG (T) auf staatliche Anordnung ihre Milchproduktion um 25 % senken und deshalb den Tierbestand von 300 auf 200 Milchkühe reduzieren. Der Milchabsatz wurde schwierig weil viele Molkereien schließen mussten. Die Delitzscher Molkerei wurde1991 abgewickelt.

Die LPG sollte sich bis Ende 1991 auflösen. Aus der LPG(T) und der LPG(P) wurden Agrargenossenschaften. Die Bauern hätten nun wieder eigenständig wirtschaften können, sie entschlossen sich jedoch, ihre Äcker zu verpachten und die Gebäude anderweitig zu nutzen. Es gibt in Selben keine Bauern mehr und in Zschepen nur noch einen Bauern der sich auf Pflanzenproduktion spezialisiert hat.

Das Telefonnetz wurde intensiv ausgebaut. Innerhalb weniger Jahre hatte jeder Haushalt einen Telefonanschluss.

Im Jahre 1992 verkaufte die Gemeinde die Wohnungen der Landarbeiterkaseme in Zschepen. Die bisherigen Mieter hatten das Vorkaufsrecht. Sie erhielten einen Bonus von 20 % des Verkaufspreises. Notwendige Renovierungen müssen die neuen Eigentümer selbst finanzieren.

Im Jahre 1993 wurde auf dem Friedhof von Selben eine Trauerhalle gebaut.

Die Bahnstrecke Leipzig — Bitterfeld wurde grundhaft erneuert und zur Schnellbahnstrecke ausgebaut. Aus dem alten Kies- und Schotterbett wurde in Zschepen ein Rodelberg aufgeschüttet. Die Bahnübergänge fielen weg. Als Ersatz wurden eine Brücke für den Autoverkehr zwischen Zschepen und Selben und ein Fußgängertunnel in Döbernitz gebaut.

Laut EU-Gesetzgebung ist ab 2015 der Betrieb von privaten Abwasser-Klärgruben nicht mehr gestattet. So werden unsere beiden Orte schrittweise an das öffentliche Abwassernetz angeschlossen. Die Abwässer werden über viele Kilometer zum Klärwerk Delitzsch geleitet. Die Anschlussgebühren müssen die Grundstückseigentümer tragen.